
Rezension: „Nur einen Herzschlag entfernt“ von Renée Carlino
Titel: Nur einen Herzschlag entfernt
Autorin: Renée Carlino
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsdatum: 27.03.2020
ISBN: 978-3-7325-8637-0
317 Seiten (eBook)
9,99 € (eBook) | 12,90 € (Paperback)Die Rezension enthält Spoiler.

Inhalt
Als der Debütroman des Autors J. Colby einen regelrechten Hype erfährt, lässt sich auch die junge Hilfsprofessorin für kreatives Schreiben, Emiline, dazu überreden sein Buch zu lesen. Doch je mehr sie liest, desto klarer wird ihr, dass sie mehr mit der Fiktion gemeinsam hat als sie je zu träumen gewagt hätte: Es ist die Geschichte ihrer unglücklichen Kindheit am Ende einer Lehmstraße in Ohio. Und der Autor kann niemand anderes sein, als ihr Kindheitsfreund und Jugendliebe Jase, den sie vor über 10 Jahren zuletzt gesehen hat …

Meine Meinung zu
„Nur einen Herzschlag entfernt“
Ich habe lange keine Liebesromane mehr gelesen. Das lag zum großen Teil auch daran, dass ich mich lange nicht mehr an Liebesromane getraut habe, weil mir viele Plots doch … sehr ähnlich vorkamen. Der Klappentext von „Nur einen Herzschlag entfernt“ versprach allerdings ein wenig Abwechslung, also wagte ich mich dran.
Gelesen habe ich die eBook-Version auf meinem Kindle. Bücher zu bestellen ist ja gerade etwas schwierig, vom Kaufen ganz zu schweigen, aber so konnte ich glücklicherweise sehr schnell an das Buch gelangen. Ich hoffe, dass ich bald wieder zur Abwechslung auch mal wieder Füllung für mein Bücherregal kaufen kann. Das echte, nicht das digitale.
Der Einstieg in das Buch war für mich etwas holprig. Wir werden direkt in die Handlung geworfen: Emiline schreibt Kurzgeschichte über Kurzgeschichte, doch keine davon kann so recht überzeugen. Nicht mal ihren Freund, der sie dafür kritisiert, dass sie über Dinge schreibt, von denen sie keine Ahnung hat. Diese Situation eskaliert in einem Streit und es fiel mir schwer, mit Emiline oder ihrem Freund, Trevor, warm zu werden. Es wird direkt klar, dass die beiden nicht zueinander passen. Auch wirkte Trevor furchtbar unsympathisch auf mich, da er lieber Angry Birds spielt als Emilines Kurzgeschichte zu lesen. Schon da wusste ich, dass er ganz bestimmt nicht der love interest sein konnte, da ich einfach keine Chemie spürte. Nichts. Nada. Der Anfang wirkte so etwas träge und abschreckend.
Doch sobald Emiline beginnt, Jase‘ Buch über ihre gemeinsame Kindheit zu lesen, wird die Handlung fesselnder und kommt ins Rollen. In „Nur einen Herzschlag entfernt“ lernt man die Protagonistin auf eine besondere Weise kennen. In Form einer Binnengeschichte, die, „getarnt“ als der Debütroman J.Colbys, die Vergangenheit der Protagonistin beschreibt. Nach der kurzen Episode in der Gegenwart fängt es ganz am Anfang an, nämlich bei ihrer Kindheit. Man bekommt das Gefühl, man würde gemeinsam mit der Emiline auf ihre Kindheit zurückblicken, während sie Jase‘ Buch liest. So erfährt man viel über ihre Vergangenheit, obwohl die Handlung des eigentlichen Plots nur eine verglichen kurze Zeit umfasst. Die Charaktere werden so sehr ausführlich und tiefgehend beschrieben, was der Immersion deutlich hilft, obwohl die Charakterisierung hauptsächlich asynchron geschieht. Anfangs war ich noch skeptisch, doch ich wurde doch schnell vom Plot und Schreibstil der Autorin gefesselt. Ich wollte wissen, wie sich die Liebesgeschichte der beiden Kindheitsfreunde entwickelt.
Gefallen hat mir hier sehr, dass Jase nicht wie der typische „Bad Boy“ schien, den man aus vielen Liebesromanen kennt, sondern eher wie ein völlig „normaler“ Teenager. Zumindest den unglücklichen Umständen entsprechend. Da Jase das Buch selbst geschrieben hat, idealisiert er sich natürlich an manchen Stellen, zum Beispiel durch einen angedichteten Waschbrettbauch. Dafür wird er natürlich später noch von Emiline aufgezogen.
Die Binnengeschichte ist ebenso emotional und intensiv wie auch tragisch. Leider wirkt die synchrone Handlung im Vergleich zu „All die Straßen auf unserem Weg“, Jase‘ Buch, eher flach und nüchtern. Ich habe mich öfter dabei ertappt, dass ich interessierter an Emilines Kindheit als an ihrem Leben in Kalifornien war. In der Gegenwart passiert vieles sehr schnell oder trägt wenig der Handlung bei. Am wichtigsten ist durchgehend, dass Emiline das Buch liest. Denn so arbeitet sie die Vergangenheit durch die Worte ihres Kindheitsfreundes auf und lernt mehr über sich selbst kennen.
Allerdings wird es spannender, als Emiline später bei einer Lesung wieder auf Jase trifft. Es hilft ihr dabei zu erkennen, dass sie noch nicht mit der Vergangenheit abgeschlossen hat und grundsätzlich eine Lüge lebt. Das bedeutet auch, dass es Trevor nur noch „loszuwerden“ galt, damit Emiline sich voll und ganz auf Jase konzentrieren kann. Als Lösung erhält Trevor am Ende einen alternativen „love interest“, was ich insgesamt ein wenig zu einfach fand. Ich hätte mir hier lieber ein ehrliches und offenes Gespräch zwischen Trevor und Emiline gewünscht als den „easy way out“. Auch wirkt der Charakter von Jase in der Gegenwart, im Vergleich zur Binnengeschichte, sehr flach. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr erwartet als „gutaussehend“, „charmant“ und „erfolgreich“.
Es hat mir gut gefallen, dass Emiline durch das Buch noch einmal ihre wahre Vergangenheit konfrontiert. Hier steht ganz klar die „Vergebung“ im Vordergrund, die nicht immer so glücklich verläuft, wie man sich wünscht. Das Happy End am Ende rundet die Geschichte ebenfalls gut ab. Eine Beziehung mit Trevor, die häufig nur davon aufrecht gehalten wird, weil sie ja „schon 7 Jahre zusammen sind“, hätte mir hier echt nicht gefallen.
Fazit
Insgesamt hat mir das Buch echt gut gefallen. Die Prämisse ist sehr interessant und gut umgesetzt. Es war mal etwas anderes, die Protagonisten asynchron kennenzulernen. Die Entwicklung der Charaktere gehört definitiv zu den stärkeren Aspekten des Buches. Ich freue mich, dass ich mich wieder an Liebesromane gewagt habe. Es hat sich wirklich gelohnt! Ein leichter aber doch sehr emotionaler Roman, der für einen Moment von der wahren Liebe und dem Schicksal träumen lässt aber auch viel über Vergebung und Schmerz lehrt.
Ich gebe dem Buch eine solide 4/5.
